Ob in Fachmagazinen, Szene-Bloggen oder auf Firmenseiten – überall wird das gleiche Bild vom allzeit erfolgreichen Karpfenangler gezeichnet.
Angesichts dieser ganzen Erfolgsgeschichten scheint ein mögliches Scheitern der Vergangenheit anzugehören.
Da bin ich dann wohl eine Ausnahme. Denn ich blicke in diesem Frühjahr gleich auf eine ganze Serie von Blanknächten zurück. Anfang Mai stehe ich noch mit leeren Händen da.
Ich ließ nichts unversucht |
Schon Ende Februar fuhr ich bei frostigen Temperaturen mit meinem Schlauchboot über die Havel von Potsdam nach Berlin. Dort liegt die Wassertemperatur normalerweise zwei bis drei Grad Celsius höher als an der offenen Havel.
Und na klar: Im Winter steigt mit jedem Grad die Aussicht auf Erfolg.
Durch die Distanz von über 20 Kilometern zu meinem Spot, der nur mit dem Boot erreichbar ist, war das Vorfüttern zu aufwändig. Stattdessen setzte ich auf meine bewährte Instant-Taktik: auffällige Fluo Pop-ups als Hakenköder mit einer Hand halbierter Boilies als Beifutter. Wenn man dort angelt, wo die Fische sind, braucht es keine aufwändige Futterkampagne.
Die große Freiheit... |
Und tatsächlich: Nach meiner dritten Nacht auf meiner kleinen Nussschale bekam ich einen Lauf. Allerdings verabschiedete sich der Fisch nach einer eleganten Drehung an der Oberfläche. Frustriert packte ich zusammen und fuhr im eiskalten Regen zurück nach Potsdam.
Das war bitter. Nach diesem Rückschlag brauchte ich einen ganzen Monat Erholungspause. Danach startete ich mit neuer Motivation an der Havel in Potsdam meinen nächsten Versuch.
Diesmal mit vorfüttern. Ich verteilte eine Woche lang alle zwei Tage 300 Gramm Boilies. Mittlerweile war das Wetter wesentlich besser. Viel Sonne und die ersten Tage über 10 Grad machten mir Mut.
Am Tag meines Ansitzes dann wieder Vorboten von typischem Aprilwetter: Regen bei Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt.
Es kam, wie es kommen musste: Ich fing mir meine nächste Blanknacht ein.
Dass die Havel undankbar ist und man Durchhaltevermögen mitbringen muss, ist nichts Neues für mich. Also blieb ich dran und fütterte weiter.
Drei weitere Blanknächte folgten.
Der Frühling ist da |
Mittlerweile hatten wir Anfang Mai.
Ohne viel Hoffnung fuhr ich wieder an meinen vorgefütterten Platz. Zwar immer noch angefressen von den zurückliegenden Blanks, aber inzwischen auch etwas entspannter, präparierte ich meine Hakenköder mit Liquid und Boilieteig. Eigentlich bin ich kein Freund von zu viel Schnickschnack um den Hakenköder. Aber warum nicht einfach etwas Neues probieren, wenn das Althergebrachte nicht mehr fängt?
So kann ich dem Blanken sogar etwas Gutes abgewinnen. Denn so hinterfrage ich mein Angeln und entwickle mich weiter. Ich bin überzeugt: Ständiger Fangerfolg steigert zwar das Ego, nicht aber das anglerische Können.
Noch etwas: Durch den Misserfolg lernt man die anderen Facetten unseres Hobbys zu schätzen: die Natur und Entspannung.
Irgendwann verschwindet der innere Druck, einen Fisch fangen zu müssen, von ganz alleine.
Jeder Karpfen ist ein Erfolg |
Kaum in der Traumwelt angekommen, wurde ich von einem heftigen Lauf geweckt. Ich konnte es kaum glauben und brauchte ein paar Sekunden. Schlaftrunken sprang ich ohne Schuhe in mein kleines Beiboot. Ein Drill auf Biegen und Brechen im schon recht üppigen Seerosenfeld begann. Die Lichter der Stadt leuchteten mir den Weg zum Fisch, der unermüdlich Schnur von der Rolle zog.
Diesmal war das Glück auf meiner Seite – mein Keschernetz umschloss einen schönen Spiegler. Keiner der ganz alten Recken, aber das ist nebensächlich an der Havel.
Jeder Karpfen ist hier ein Erfolg, egal ob fünf oder 25 Kilogramm. Und mit diesem Fisch bin ich nun für diese Saison nun endlich entschneidert.
Alexander Lenk