Sonntag, 3. Januar 2016

EIN WEIHNACHTSKARPFEN


Wir schreiben Donnerstag, den 24. Dezember. Es ist Weihnachten!
Trotzdem bin ich unterwegs zum Angeln. Ich habe ein paar Stunden für eine kurze Session freischaufeln können. Meine Frau hat wirklich großes Verständnis für mein Hobby.
Es ist jetzt halb sieben, die Straßen in den Dörfern, durch die ich hindurch fahre, sind gespenstisch leer. Es ist noch stockfinster, alles wirkt wie ausgestorben. Lediglich schön geschmückte leuchtende Weihnachtsbäume in den umliegenden Gärten spenden ein wenig Licht.
Um kurz nach acht Uhr liegen meine beiden Montagen endlich am Platz. Sie liegen am Ufer entlang in der Nähe von Totholz. Am Ufer kann ich entlang laufen und punktgenau etwa 15 Boilies in 18mm Größe über den Bereich verteilen, in dem beide Rigs liegen. Das wenige Beifutter soll möglichst nah an den Hakenködern liegen, denn um 13:30 Uhr soll ich wieder zuhause sein.
Ein strammer Zeitplan, um einen Weihnachtskarpfen zu fangen.
Nur im Sweatshirt bekleidet setze ich mich in den Stuhl. Es ist erstaunlich mild und es riecht förmlich nach Karpfen.
Es ist gerade halb elf, als ich zwei einzelne Piepser bekomme. Kurz darauf krümmt sich meine rechte Rute nach vorne. Biss! Ich nehme sofort Kontakt auf, der Fisch zieht nach rechts. Es wird gefährlich, denn dort lauert in Ufernähe das Holz.


Alles wird wieder sortiert und in den Rucksack verstaut

Sofort schlüpfe ich in die bereits in Position stehende, umgekrempelte Wathose. Im Eiltempo geht es am Ufer dem Fisch hinterher.
Bis jetzt konnte ich die Fische immer nach links ins freie Wasser dirigieren. Dieser ist anders. Er fühlt sich schwer an und bleibt ruhig und tief. Ich werde richtig nervös und habe Schwierigkeiten durch die ganzen ins Wasser ragenden Sträucher näher zum Fisch zu gelangen. Das Wasser ist in den letzten Tagen wieder ein paar Zentimeter gestiegen. Das bereitet mir enorme Schwierigkeiten.
Urplötzlich ist in der Rute keine Bewegung mehr zu spüren. Der Fisch sitzt im Holz fest, direkt vor meinen Füßen, keine fünf Meter von mir entfernt.
Ich nehme den Druck von der Schnur und warte. Aber es ist keine Bewegung mehr zu spüren. Ist er ab gekommen?

Steigender Wasserstand - kein Wunder bei dem vielen Regen

Ich laufe noch weiter ins Wasser, um näher an den Fisch heran zu kommen. Dabei bin ich für einen Moment unkonzentriert und trete in ein Loch. Sekundenbruchteile später steht mir das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Mit einem Schwall füllt sich meine Wathose mit allerfeinstem, kalten Baggerseewasser. Mit letzter Kraft ziehe ich mich mit der linken Hand an den überhängenden Ästen wieder hoch. Puh, das hätte schiefgehen können, ich hätte wie ein Sack Steine untergehen können. Glück im Unglück also. Aber auch so bin ich komplett geflutet!
Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, baue ich erneut Druck auf. Offenbar etwas zu viel Druck. Denn meine Schnur reißt, meine zurück federnde Rutenspitze knallt gegen die überhängenden Sträucher, den Fisch habe ich definitiv verzockt.
FUCK!
Ich bin fassungslos und werfe meine Rute vor Wut über den verlorenen Fisch und meine eigene Ungeschicklichkeit in die Sträucher. Danach schleppe ich mich schnell aufs Trockene und ziehe meine voll gelaufene Wathose runter.

Zunächst bekomme ich ein paar einzelne Piepser
Da war doch noch was?
Ach ja, mein iPhone in der rechten Hosentasche!
Ich ahne es schon – ich sehe nur noch ein schwarzes Display. Das war´s dann wohl...
Aber darum werde ich mich später kümmern.
Ich hole meine kleine Säge aus dem Rucksack. Damit will ich dem ins Wasser hängenden Holz zu Leibe rücken. Denn darin will ich nicht noch einen Fisch verlieren.
Einen dicken Ast bekomme ich ein gutes Stück ans Ufer gezogen. Im glasklaren Wasser sehe ich meinen gelben Hakenköder, wie er an dem im Holz fest hängenden Rig baumelt. Der Fisch ist Gott sei Dank ohne Haken frei gekommen!
Ich setze mit der Säge an, um den Ast zu teilen.
Raaatsch!
Ich rutsche mit der Säge ab und schneide mir ins Fleisch meiner linken Hand.
Das ist wohl die Strafe Gottes, ich Arschloch!

Auch wenn die Schnittwunde zuhause unspektakulär aussieht - geblutet hat sie stark
Der unscheinbare aber tiefe Einschnitt brennt sofort wie Feuer und blutet stark.
In meiner Not bastele ich mir mit Tempos und einem Neopren-Rutenband einen provisorischen Druckverband. Das stoppt die Blutung.
Aber was für ein Desaster: Der ersehnte Weihnachtskarpfen weg, Handy kaputt, Hand zersägt und ich bin nass bis auf die Unterhose.
Wie ein geprügelter Hund verlasse ich danach das Schlachtfeld und mache mich auf den Heimweg.
Ob ich wieder komme?
Ich kann es nicht sagen.
Meine beiden letzten Fische habe ich nun verloren, meine Motivation im Keller...

Etienne Gebel

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